Uni Frankfurt: 700 auf *Demo gg. die autoritäre Hochschule*

PM des Protestplenums der Uni Frankfurt vom 7.12.2009, abends:

FFM: 700 Personen auf Demo gegen autoritäre Hochschule / erneut Polizeigewalt gegen friedliche Studierende

Etwa 700 Personen versammelten sich sich heute Abend um unter dem Motto „Gegen die autoritäre Hochschue – in Frankfurt und anderswo!“ gegen den Polizeieinsatz der letzten Tage an der Frankfurter Uni und für den Rücktritt von Uni-Präsident Müller-Esterl, sowie die Rücknahme der Anzeigen zu demonstrieren. Müller-Esterl lies ab 18.00 Uhr, trotz der Aufrufe seitens der Studierenden nicht weiter die Forschung und Lehre zu unterbinden, erneut den AfE-Turm sperren. Erneut massive Polizeigewalt gegen Studierende.

Die Demo startete gegen 18.30 Uhr vom Cafe KoZ über die Bockenheimer Landstraße in Richtung alte Oper, als Anmelder und Ansprechperson wurde der Polizei – wie bereits letzten Donnerstag – Müller-Esterl genannt.

An der alten Oper blockierte die Polizei den Studierenden den Weg in die Innenstadt. Die Demo zog unter Parolen wie „Weg! Weg! – Weg mit dem Präsidium!“, „Eliteuni, ha! ha! ha! – Bildung ist für alle da!“ und „Sozialabbau im ganzen Land – unsere Antwort: Widerstand!“ weiter, über den Platz der Republik in Richtung Hauptbahnhof. Weil die Polizei dies zu verhindern versucht hatte, leider aber nur die eine Hälfte der Theodor-Heuss-Allee blockierte, kam es zu einem ersten Pfeffersprayeinsatz.

Die Studierenden demonstrierten zunehmend kraftvoll die Kaiserstraße entlang, über den Willy-Brandt-Platz und bogen dann auf die Berliner Straße ab. Ecke Neue Kräme hielten sie eine Zwischenkundgebung ab. Zunächst wurde sich in einem Redebeitrag mit den Studierendenprotesten im Iran solidarisiert. Dann wandte sich Nadia Sergan, AstA-Vorsitzende, an Passanten und Studierende. Sie erklärte:

Der Vorwurf, Gesprächsangebote des Präsidenten seien abgelehnt worden, ist gelogen.“ Es habe lediglich ein Gespräch am Mittwoch zwischen 16.30 Uhr und ca. 17.20 Uhr, etwa eine Stunde vor Beginn der Räumung, gegeben.

In diesem Gespräch stellte der Präsident weder Fragen zur Intention noch zur geplanten Dauer der Besetzung. Eine anstehende Räumung war zu keiner Zeit Gegenstand des Gesprächs.“

Sie fuhr fort: „Anlass für die Räumung gab laut Werner Müller-Esterl der angeblich begründete Verdacht, die Besetzung solle sich am selben Abend noch auf das House of Finance ausweiten. Wir würden gerne vom Präsidium wissen, auf welche Informationen sich dieser Verdacht stützt.

Als die Demo sich in Richtung Zeil in Bewegung setzte, kam es zu Gerangel mit sich in den Weg stellenden Polizeieinheiten. Unter Schlägen, Schlagstockeinsatz und Pfefferspray, das nicht gerade sparsam eingesetzt wurde, stoppte die Polizei den Demonstrationszug. Dieser setzte sich nach 10Minuten in Richtung Hauptwache. Fortan lief die Demo im Wanderkessel, über Hauptwache und Eschenheimer Tor zurück nach Bockenheim.

Markus Niemeier, ein Sprecher des Protestplenums, kritisiert die Polizei: „Sie verweigern uns systematisch die Möglichkeit, unsere Kritik angemessen in die Öffentlichkeit – nämlich in die Innenstadt – zu tragen. Auch heute waren die Studierenden friedlich – und auch heute hat die Polizei auf sie eingeprügelt.“

Magda Nussbaum, eine Sprecherin des Protestplenums, meint man müsse „sich nicht alles von der Polizei gefallen lassen. Irgendwann ist auch mal Schluss. Erst die Ereignisse von Mittwoch, dann 3 Tage Polizei auf dem Campus – und jetzt sowas!“

Eine Person musste wegen Atemnot im Krankenhaus behandelt werden. Mind. 20 weitere wurden druch den großzügigen Einsatz von Pfefferspray über das Fronttransparent verletzt.

Noch eine PM des Protestplenums der Uni Frankfurt vom 7.12.2009, mittags:

PM zur Pressekonferenz

Heute fand im Studierendenhaus der Uni Frankfurt eine Pressekonferenz zu den Ereignissen der letzten Tage statt. Protest-Plenum,AStA, Lehrende und GEW formulierten eine massive Kritik an der aktuellen Hochschulpolitik, an den Zuständen in Frankfurt und berichteten über den Polizeieinsatz. Die GEW schloss sich außerdem der Rücktrittsforderung der Studierenden an. Die klare Botschaft: Die Uni gehört den Studierenden.

Scharfe Kritik an Stiftungsuni und Präsidium.

Auf der heutigen Pressekonferenz der protestierenden Studierenden haben Lehrende, Studierende, AStA und die stellvertretende Vorsitzende der GEW Hessen ihre Kritik an der aktuellen Bildungspolitik, den Zuständen und „Reformen“ an der Goethe-Uni und an der polizeilichen Räumung des Casinos bekräftigt. Außerdem dauere, so Markus Niemeier vom Protestplenum, der Polizeieinsatz an der Uni weiterhin an.

Zunächst legte Niemeier die Gründe für die Aktionswoche dar: „Wir wollten einen doppelten Mangel unter die Lupe nehmen: den der Bildungspolitik und den der Kritik, die in weiten Teilen des Bildungsprotests formuliert wurde.“

Der AK Recht trat mit einem Bericht zur Räumung des Casinos und den anschließenden Ereignissen „den Behauptungen von Universitätspräsident Müller-Esterl und Polizei entgegen, [dass] der Polizei „weitgehend friedlich“ und „maßvoll“ verlaufen“ sei. Zudem wurde auf die Behinderung der Presse und die Kontinuität Frankfurter Polizeigewalt gegen Studierende und Antifaschist_innen verwiesen.

Carmen Ludwig, stellv. Vorsitzende der GEW Hessen äußerte sich zur aktuellen Lage an den Hochschulen und verwies auf Verschulung der Hochschulen, zunehmende Unterhöhlung des gesetzlich garantierten Rechts auf Bildung durch zunehmenden Ausschlussmechanismen und mangelnde tarifliche Absicherung im Wissenschaftsbetrieb. Zur Situation in Frankfurt stellte sie klar:

„Ein Präsident jedenfalls, der sich als derart kommunikationsunfähig erwiesen hat und keine Gesprächsbereitschaft mit den Studierenden zeigt, ist in seinem Amt fehl am Platz und sollte dieses zur Verfügung stellen“.

Anschließend äußerte sich Prof. Thomas Sablowski zur Hochschulpolitik der letzten Jahre und der Art der Umsetzung hier in Frankfurt:

„Der Geist, der hinter der polizeilichen Räumung der Universität durch Präsident Müller-Esterl steht, ist derselbe, der die herrschende Hochschulpolitik in den letzten zehn Jahren bestimmt hat. Das Hauptziel dieser Politik ist die Entwertung der akademisch gebildeten Arbeitskraft. Sie geht notwendig einher mit der Zerstörung der wissenschaftlichen Rationalität und der demokratischen politischen Kultur.“ Die Studierenden gehörten in das Zentrum der Universität – materiell und symbolisch. „Es wäre angemessen, das Casino des I.G. Farben-Hauses sofort in ein Studierendenhaus umzuwandeln. Dann könnte sich das Präsidium womöglich auch die Kosten für das Übertünchen der dort während der Besetzung angebrachten Wandmalereien sparen.“

Oliver Brüchert, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften, ging auf die spezifische Situation am I.G.-Farben-Campus ein. „Das Casino steht dabei stellvertretend für den gesamten neuen Campus im Westend, dem eine herausragende Funktion für die Selbstvermarktung der neuen Stiftungsuniversität und die damit verbundene Corporate Identity hat“, so Brüchert. „Das neue Bild, das die Universität sich gibt, die auf schönen Schein polierte Oberfläche, ist aber mehr als nur eine Marketing-Strategie. Dahinter steht eine harte und tief greifende Umstrukturierung der Universität zum Unternehmen, das seine Leistungen in Forschung und Lehre nur noch danach bemisst, wie viel Geld sie einspielen, das seine Studierenden und seine Gebäude nur noch als Kapitalanlagen ansieht, die eine möglichst hohe Rendite abwerfen sollen.“

Er hielt fest: „Mit einer Universität als öffentlichem Ort, der für freie Meinungsäußerung, kritisches Denken und studentisches Leben steht, hat diese Herrschaftsarchitektur nichts zu tun.“

Magda Nussbaum vom Protestplenum schilderte die Situation auf dem Campus seit Mittwoch. Sie verwies auf Polizei, Aussperrungen und die Verhinderung von Forschung und Lehre als Antwort auf beschmierte Wände: „Eine Universität, die ihren Studierenden gehört, muss allerdings keine Angst vor ihnen haben – im Gegensatz zu einer autoritären Hochschule der Banken, Unternehmen und der Gegenaufklärung“.

Nadia Sergan, AStA Vorsitzende, äußerte sich zur Informationspolitik des Präsidiums. Sie wies die Vorwürfe des Präsidiums, Bilder seien beschmiert wurden, zurück und betonte, dass lediglich Rahmen und Glasscheiben der Bilder beschädigt wurden. Ohnehin seien alle Bilder im Casino von Glas geschützt. Das Wandgemälde sei nicht beschmiert. Es gibt Videoaufnahmen vom Freitag, die dies belegen.

Müller-Esterls Behauptung, es habe mehrfache Gesprächangebote gegeben, wies die AStA-Vorsitzende als Lüge zurück. Vielmehr sei der AStA wenige Stunden vor der Räumung als Vermittler beim Präsidenten zu einem Gespräch gewesen, auf dem der Präsident keinerlei Räumungsabsichten äußerte. Er habe insgesamt keinen einzigen Versuch einer nicht-polizeilichen Lösung unternommen. Sergan erklärte weiter: „Der Angriff auf den AStA soll diesen aus unserer Sicht in eine Defensivrolle zwingen. Er nutzt die ihm zur Verfügung stehenden Mittel, wie die Homepage der Uni, sowie den Zugriff auf die E-Mail-Adressen der Studierenden dieser Universität um Propaganda zu betreiben. Seine Falschaussagen und bewusste Desinformation sind für den AStA untragbar.Was momentan an dieser Universität passiert statuiert ein Exempel für autoritäre Präsidialautonomie.“

Die vorläufigen Ergebnisse des inhaltlichen Diskussionsprozesses wurden vorgestellt. (Diskussionspapier auf bildungsstreik-ffm.de)

Die Sprecherin des Protest-Plenums erklärte abschließend: „Die Zustände der letzten Tage sind unerträglich. Sie haben jedoch endlich eine Auseinandersetzung über eine universitäre Selbstverständigung provoziert. Diese wurde in den letzten Jahren systematisch blockiert. Unsere Position, dass die Uni den Studierenden und der unabhängigen Forschung und Lehre gehört und nicht dem Präsidenten und seinen Freunden aus Wirtschaft und Politik, stößt dabei auf immer mehr Zuspruch.“ Die Studierenden fordern weiterhin die Rücknahme der Anzeigen, ein Studierendenhaus am I.G.-Farben-Campus und den Rücktritt des Präsidenten.

Ein Video, dass den brutalen Polizeieinsatz dokumentiert, der von Müller-Esterl immer noch als „fair und professionell“ bezeichnet wird, wurde zu Anfang der Pressekonferenz abgespielt und ist ab 16.15Uhr auf www.bildungsstreik-ffm.de einzusehen.

http://bildungsstreik-ffm.de/cms

http://twitter.com/BSFFM