Kapitalismus aufbrechen!

Risse erweitern in-gegen-und-jenseits-des-Kapitalismus

Vortrag und Diskussion mit John Holloway und Stephanie Hürtgen

John Holloways Aufforderung »die Welt zu verändern, ohne die Macht zu übernehmen« führte zu einer weltweiten Diskussion um Methoden, mit denen der Kapitalismus überwunden werden kann. In seinem neuen Buch »Kapitalismus aufbrechen« entwickelt er die Diskussion weiter, wie hier und heute grundlegende Veränderungen zu erreichen sind.

Anstatt die scheinbare Stabilität des Kapitalismus in den Vordergrund zu stellen, geht es für Holloway um die Instabilität, um die Risse, die wir dem Kapitalismus abtrotzen. Wie können diese Risse zu sich erweiternden Breschen gemacht werden? Dabei geht es um die Vorstellung eines Widerstands, der im Alltag des entfremdeten menschlichen Lebens begründet ist. Die Frage nach der Revolution ist nicht, wie der Kapitalismus endgültig zerstört werden kann, sondern, wie sich verhindern lässt, dass er immer wieder reproduziert wird und wie unsere Praxen sich verändern müssen, damit wir diese Reproduktion beenden.

Die Kritik der Arbeit, des Staats und der Parteiform nehmen in seiner Theorie eine besondere Rolle ein und die positiv-kritische Bezugnahme auf den Zapatismus stellt eine zentrale Facette seines Denkens dar. Wie erschaffen wir eine andere Welt? Indem wir den Kapitalismus aufbrechen: Risse erzeugen, Augenblicke und Räume des Widerstands erschaffen, in denen wir auf eine andere Art handeln, in einer anderen Weise Sachen tun, mit denen wir einen Kampf um die Würde führen.

In einem Kommentar will Stefanie Hürtgen wichtige Denkanstöße für eine linke Theorie und Praxis herausstreichen. Diese bestehen aus ihrer Sicht vor allem darin, dass John Holloway nicht abstrakt »die Systemfrage« stellt, sondern – analytisch über den Begriff »Arbeit« im Kapitalismus – nach »Tätigsein« und damit nach der praktischen Herstellung von sozialen Verhältnissen fragt, und zwar durch »uns« in einem weiten und emphatischen Sinne. In dieser Perspektive geht es weniger um »linke Politik«, die allzu oft als den Verhältnissen äußerlich gedacht wird, sondern um Wahrnehmung, Reflexion und Veränderung (unseres) alltäglichen Handelns.

Ihre Kritik setzt an der Frage an, wie von den »Rissen« in der kapitalistischen Gesellschaft gedanklich und praktisch zu einer Selbstvergesellschaftung von »Tätigsein« gelangt werden kann. Der völlig richtige Verweis darauf, dass wir in entfremdeter, abstrakter Arbeit nicht aufgehen, sondern immer auch konkrete und soziale Tätige sind, reiche nicht aus.

John Holloway lehrt an der Benemérita Universidad Autónoma de Puebla (BUAP) in Puebla/Mexiko. Aus der Tradition des Open Marxism kommend, hat er, inspiriert von kritischer Theorie und italienischem Operaismus, die marxistische Theorie in zentralen Bereichen mit weiterentwickelt.

Stefanie Hürtgen ist Mitarbeiterin am Institut für Sozialforschung und Dozentin an verschiedenen Unis sowie in der politischen und gewerkschaftlichen Erwachsenenbildung.

Rosa-Luxemburg-Stifzung