„Der Gangsterboss des Existenzialismus“ – Veranstaltungsreihe zum 30. Todestag Jean-Paul Sartres

Jean-Paul Sartre & Simone De Beuvoir

Warum Tod und nicht Geburt? Was man zuallererst festhalten muss, ist der absurde Charakter des Todes. In diesem Sinn muß jeder Versuch, ihn als einen Schlussakkord am Ende einer Melodie zu betrachten, strikt zurückgewiesen werden. Der Mafia rechneten ihn die Situationisten zu – gar in leitender Position. Am 15. April 1980 verreckte er mit 74 Jahren auf dem Buckel. Zehntausende geleiten ihn zum Montparnasse. Eine Demonstration der Dummheit, die sich in der Passivität des Spektakels wohlig zu Hause weiß – es gibt ja die Intellektuellen, die für uns denken, die Helden, die für uns kämpfen – eine Absicherung gegen die Angst. Hör dir das an! Was für eine Bande von Idioten! Diese Leute sind erst froh, wenn sie zusammen brüllen können. Die scheinen sich alle auf dieselbe Weise zu amüsieren. Die haben in Berlin einen großen Schuppen, da passen zwanzigtausend Mann rein, da versammeln sie sich sonntags, sie singen im Chor und trinken Bier dazu. Gegen Heidegger, gegen die Psychoanalyse, gegen Hegel, gegen Husserl. Und irgendwie auch mit ihnen. Gegen das Nazipack und die Bourgeoise. Ein bürgerlicher Philosoph geblieben? Camus besser als Sartre? Schwanzvergleich. Wo sind die Genossen? Einen Kommunisten erkennt man auf den ersten Blick. Ein Gesicht. Ein einziges hartes, ruhiges Gesicht. Ein Männergesicht. Das Spiel ist zu Ende, verdammt, die Hölle bin nicht ich. Man kennt es und es verliert an Gebrauchswert, je öfter man es hört. Man muss alles neu betrachten. Zu den Sachen selbst.

Um eine kritische Relektüre eines der interessanten Philosophen, kommunistischen wie antifaschistischen Aktivisten und Literaten des 20. Jahrhunderts ist es zu tun. Seine radikale Freiheitskonzeption klingt überholt in Zeiten immer totalerer Integration der Individuen in die Gesellschaft einerseits, biologistischer wie strukturalistischer Dekonstruktion subjektiver Autonomie andererseits. Doch gerade seine Insistenz auf die unhintergehbaren Autonomie des Einzelnen, seine Verantwortung und die permanenten Möglichkeit des Widerstands versprechen etwas, das andere Theorien so nicht bieten.

Solange die Doktrin sich ihrer Anämie nicht bewusst wird, solange sie ihr Wissen auf eine dogmatische Metaphysik (Dialektik der Natur) gründen wird, statt es auf das Verstehen des lebendigen Menschen zu stützen, solange sie unter der Bezeichnung Irrationalismus alle Ideologien abtut, die – wie Marx es getan hat – das Sein vom Wissen trennen und im Rahmen der Anthropologie die Erkenntnis des Menschen auf die menschliche Existenz gründen wollen, solange wird der Existentialismus seine Untersuchungen fortführen.

zur Printfassung des Aufrufs und vollständigem Programm

Die Veranstaltungsreihe wird präsentiert von dem Blog la vache qui rit in Kooperation mit Theorie Praxis Lokal und der Gegenuni im Institut für vergleichende Irrelevanz.
Wir freuen uns auf zahlreiches Erscheinen und anregende Diskussionen. (mehr…)