28.o4.2009, 20.oo: Fragwürdige Traditionslinien

"Valkyrie" von Regisseur Bryan Singer hat nicht nur in Deutschland zu erneuten Debatten um die Attentäter des 20. Juli 1944 geführt. Die Figur Stauffenberg steht beispielhaft für das zweite Standbein im Kampf um die Deutung der deutsche Vergangenheit, neben dem Opferdiskurs, der sich um das Leid der Deutschen während Vertreibung und Bombardierungen dreht.
Die Deutschen sollen von ihrer kollektiven Schuld entlastet werden, damit sich die Bundesrepublik als gleichberechtigter Teil der Anti-Hitler-Koalition darstellen kann. Das Gedenken an den 20. Juli verfolgt u.a. den politischen Zweck, die Geschichte umzuschreiben, die Nachkriegsordnung zu überwinden und die internationale Handlungsfähigkeit Deutschlands sicherzustellen. An diesem Abend soll es unter anderem um die Bedeutung von nationalen Helden und Mythen, die Diskurse, in denen diese auftauchen, und welche Zwecke und Bedeutungen diese haben, gehen – und was das alles mit Nationalismus zu tun hat.

Vortrag und Diskussion mit der Gruppe nevergoinghome aus Berlin
am Dienstag, 28. April 2008, 20 Uhr

Neuer Lektürekurs ab Donnerstag, 16.o4.2009

Karl Marx: Das Kapital. Kritik der Politischen Ökonomie Bd.1 – Lesekreis/Lektürekurs

Erstes Treffen: Donnerstag 16.4.09 18h IvI, Bibliothek (1.Stock)

„Das ist scheußlich ermüdend und bei nicht ganz scharfer Aufmerksamkeit auch verwirrend.“ (Engels über Teile des ersten Bandes, Brief an Marx, 23.8.1867)

Derzeit wird überall davon geschrieben, dass Marx in Zeiten der Wirtschaftskrise wieder aktuell sei und überall rezipiert werde. Nur kommt Marx in dieser Art Metarezeption selbst nicht zu Wort. Aber auch wenn er es käme, so ist doch festzuhalten, dass die von Marx formulierte Kritik auch in vermeintlichen Nichtkrisenzeiten von höchster Aktualität ist. Doch um sich zu seinen Kernaussagen, die wahrscheinlich meilenweit entfernt sind von sowohl den Feuilletonist_innen als auch von vielen sich marxistisch nennenden Bezugnahmen – Marx selbst sagte nicht umsonst von sich, kein Marxist zu sein – vorzuarbeiten, ist es notwendig sich den Luxus des Lesens der knapp 1000 Seiten des ersten Bandes zu gönnen (die anderen Bände dürfen allerdings nicht als unwichtiges Beiwerk betrachtet werden, aber ein Schritt nach dem anderen).

Plan des Seminars ist, den ganzen Band in etwa einem Semester zu lesen, was zwar notwendig zu Verkürzungen führt, andererseits aber die Möglichkeit bietet, sich in sympathischer Runde einen Überblick zu verschaffen – Anhaltspunkte für weitere Exkursionen in die (nicht nur) marxsche Theorie. Eine „Anleitung“ werden wir dabei nur insofern geben, als sie zur Selbstaneignung anregt – entscheidend für Struktur und Ablauf bleiben die Diskussionsprozesse in der Gruppe.

 

Mehr Theorie im Sommersemester 2009:
Lektürekurse
Autonome Tutorien FBe 03/04

 

Antispektakuläre Tage 2009

Samstag 11. – Montag 13.4.2009 // täglich ab 12 Uhr im IVI, Kettenhofweg 130:

Lektürekurs: 61 Thesen ÜBER DIE SITUATIONISTISCHE INTERNATIONALE & IHRE ZEIT (Zirkular 1972).

Die erste vollständige, jahrelange, kollektive & öffentliche kritische Lektüre (im deutschsprachigen Raum) des Buches von Guy Debord „Die Gesellschaft des Spektakels“ wurde Ende 2008 in TPL abgeschlossen. Die Mitschnitte dieser Kurse & Diskussionen liegen vollständig vor, und die Veröffentlichung der Protokolle/Kommentare zu sämtlichen 221 Thesen auf den websites von TPL u.a. wird im Laufe des Jahres 2009 fortgesetzt.

Nunmehr kommen wir zum letzten historischen Dokument der S.I., veröffentlicht in der Broschüre "Die wahre Spaltung in der Internationalen. Öffentliches Zirkular der Situationistischen Internationalen" ("La véritable scission dans l’Internationale", Paris 1972, dt. Übersetzung  von der "Projektgruppe Gegengesellschaft" unter dem Titel "Die wirkliche Spaltung in der Internationalen", Düsseldorf 1973, später wiederaufgelegt von "Revolutionsbräuhaus Wien" sowie in "Texte der Situationistischen Internationale" Heft VII, Berlin 2005.  Vom prosituationistischen Kartell Nautilus-/Tiamat-Verlag wurde dieser Text bezeichnenderweise in sämtlichen Anthologien & Einzeleditionen der interessierten Leserinnenschaft bewusst unterschlagen, so als hätte es ihn nie gegeben. Eine seriöse Neuübersetzung ins Deutsche gibt es bis heute nicht.)

Dieses Zirkular der S.I. wurde 1972 zur Begründung ihrer Selbstauflösung verfasst von Guy Debord & Gianfranco Sanguinetti. Es ist die konsequente Fortschreibung und „das letzte Wort“ der situationistischen Spektakeltheorie im Rahmen der S.I. selbst, wurde jedoch bis heute aus Gründen (wegen seiner gruendlichen  theoretischen Destruktion des „Pro-Situationismus“, der sich dann aber praktisch prompt nach 1972 und vor allem nach 1994 als herrschende Rekuperation durchgesetzt hat) nie oeffentlich rezipiert.

In TPL wird nun diese unversöhnliche S.I.-Selbstanalyse zum ersten Mal überhaupt, öffentlich & kollektiv der kritischen Aneignung zugänglich gemacht. Dieses Dokument der spektakeltheoretischen Zuspitzung und historischen situationistischen Selbstkritik enthält u.a. die situationistische Klassenanalyse letzter Hand: die Theorie von den „Führungskräften“, welche u.a. Bourdieus Habitustheorie bereits Anfang der 1970er, allerdings materialistisch, vorweggenommen hat. –
Die Textvorlagen werden bereitgestellt & These für These mit dem Original verglichen.

Wie immer in unserem Labor werden dazu — je nachdem wieviel Zeit dafür neben der Textarbeit bleibt — Filmraritäten aus und um
Entwendungsproduktionen von S.I.-Genoss_innen angeschaut & diskutiert, um uns auch weiter an eine materialistisch historische Imageologie (Bildwissenschaft) heranzuarbeiten.

http://theoriepraxislokal.org/