Kritisches Denken braucht und nimmt sich Zeit und Raum! Ein Jahr ohne IvI ist genug!

Fast ein Jahr nachdem das Institut im Kettenhofweg von der Polizei geräumt wurde, wurden heute, am 20. April 2014, mehrere neue Institute für vergleichende Irrelevanz eröffnet.

Im ganzen Frankfurter Stadtgebiet stehen unzählige Gebäude leer, die meisten seit Jahren. Aus diesem Grund konnten im letzten Jahr bereits mehrere Besetzungen stattfinden und auch jetzt konnten gleich mehrere IvIs zeitgleich eröffnet werden. Mit den Besetzungen soll nicht nur auf die Problematik der Leerstände hingewiesen werden, auch das Fehlen unkommerzieller Orte und die Stadtentwicklung Frankfurts im Allgemeinen werden von den Besetzer*innen angegriffen.

Vom Dezember 2003 bis April 2013 hatte das Institut für vergleichende Irrelevanz seinen Sitz in dem ehemaligen Institut für Anglistik der Goethe-Universität im Kettenhofweg. In den 9 Jahren seines Bestehens konnte das Institut zahlreiche politische Bildungsveranstaltungen, Kongresse, Konzerte, Ausstellungen und Parties veranstalten. Dabei war den Aktivist*innen stets wichtig, einen Ort zu erschaffen, der es möglich macht sich den Zwängen des Alltags zu entziehen und über Utopien nachzudenken. Unter dem Motto Theorie*Praxis*Party haben unterschiedlichste Aktivist*innen im IvI gemeinsam gearbeitet und experimentiert.

Obwohl die Besetzer*innen im letzten Jahr keinen gemeinsamen Ort mehr hatten, war das IvI immer noch präsent z.B. mit der Gegenuni, die an verschiedenen Orten der Stadt stattfand, mit einem Aktionstag mit Vorträgen und einem Rave durch die Innenstadt im letzten Sommer, Partys im öffentlichen Raum, der Kundgebungsreihe gegen rassistische Ausgrenzung in der Stadt u.v.m.

Um die Notwendigkeit eines offenen, selbstverwalteten Hauses, indem Theorie, Praxis und Party ihren gemeinsamen Raum finden, zu verdeutlichen haben die Aktivist*innen zum Jahresjubiläum der Räumung gleich mehrere neue Institute eröffnet.

„Wir haben versucht mit der Stadt über ein neues Objekt zu verhandeln und sind immer nur hingehalten worden“ teilt IvI Aktivistin Sarah Schneider mit. „Die Zeit der Verhandlungen ist für uns jetzt beendet. Wir nehmen uns die Räume, die wir brauchen. Das Jahr ohne IvI hat uns allen verdeutlicht, wie sehr wir einen Raum benötigen, der uns ermöglicht gemeinsam kritische Gesellschaftstheorie zu bearbeiten, politische Praxis zu entwickeln und verschiedenste kulturelle Veranstaltungen anzubieten, die keiner kommerziellen Logik folgen müssen.“

Es geht den Aktivist*innen nicht nur um die Schaffung eines einzelnen Raums, sie wollen auch einen praktischen Beitrag zur kritischen Auseinandersetzung mit der aktuellen Stadtentwicklung Frankfurts leisten.

Sie kritisieren, dass die Frankfurter Kommunalpolitik Stadtentwicklung hauptsächlich Mechanismen des kapitalistischen Marktes überlässt. Trotz des stetigen Anstiegs des Bedarfs an sozial gefördertem und günstigem Wohnraum, steht bei neuen großen Bauprojekten im Innenstadtbereich, bei denen Wohnungen gebaut werden, die Schaffung von hochpreisigen Miet- und vor allem Eigentumswohnungen im Vordergrund. Wer sich eine Eigentumswohnung oder Kaltmieten ab 12,50 Euro pro qm nicht leisten kann, wird nach und nach aus der Stadt verdrängt.

Eine Beteiligung von Bürger*innen ist bei großen Neubauprojekten und Stadtenwicklungsfragen nicht erwünscht bzw. dient als Feigenblatt. Dies zeigt sich z.B. an der Planung des sog. „Kultur-Campus“, bei der Teile des Areals bereits vorab an den meistbietenden Investor verkauft wurden, trotz Planungswerkstätten mit den Bockenheimer Bürger*innen, die andere Ideen für das Gelände hatten. Der Erhalt des Philosphicums ist somit auch nicht das Ergebnis einer gestaltenden und sozial nachhaltigen Stadtentwicklungspolitik der Römer-Koalition, sondern Ergebnis des Engagements der Projektgruppe, die das denkmalgeschützte Gebäude für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum jenseits von Marktlogik und Profitinteresse erhalten und revitalisieren wollen.

Neben den Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt wird auch die Kulturpolitik der Stadt angegriffen. Für subkulturelle Nischenprojekte ist in Frankfurt immer weniger Platz. Viele Clubs haben in Frankfurt in den letzten Jahren bereits dicht machen müssen, Räume in denen ohne bürokratische und/oder finanzielle Hürden Veranstaltungen organisiert werden können sind sehr rar.