Zur freundlichen Beachtung
PM: Unbürokratischer, kurzfristiger & preiswerter Wohnraum
Nachdem bereits am Morgen des 20.10. der Präsident der Goethe-Universität Frankfurt (Prof. Werner Müller-Esterl) appellierte „unbürokratisch und kurzfristig preiswerten zusätzlichen Wohnraum für unsere Studierenden zur Verfügung [zu] stellen“, entschlossen sich einige Studierende spontan für eben jenen zu sorgen. So zogen sie noch Donnerstagnachmittag nach einer studentischen Vollversammlung in die Schumannstr. 60.
Die Nachbarschaft fasste die Besetzung positiv auf und eine Anwohnerin lies sogar durchschauen, dass sie das damals in den 70er Jahren aus den selben Gründen auch gemacht hatten.
Eine bunte Ansammlung von Studierenden, Künstler_innen & prekär Beschäftigten begann sogleich das Haus zu gestalten. Im Laufe des Abends kamen immer mehr Interessierte und Unterstützer_innen in das Gebäude. Die Verhandlungen mit der Polizei verliefen kooperativ, nachdem die Polizei die Besetzer_innen darauf hinwies das lediglich Hausnummer 60 im Besitz des Landes Hessen sei, einigten sich die Besetzer_innen darauf sich auch lediglich auf diesem Gelände zu bewegen.
Mit dem Einsatzleiter Herr Karden wurde sich darauf verständigt, sich über Veränderungen der Situation gegenseitig zu informieren. Gegen 22:00 war die Lage weiterhin entspannt: Es wurden reichlich Lebensmittel und Mobiliar gespendet, die Gäste waren fröhlich und guter Dinge. Gegen 22:15 schlug die Situation in ihr Gegenteil um. Durch die Fenster waren auf der Straße behelmte und beschilderte Einsatzkräfte zu erkennen. Um das südliche Westend herum, so meldete eine Passantin, waren ca. 60 Einsatzwagen der Bereitschaftspolizei.
Daraufhin suchten die Besetzer_innen den Kontakt mit dem Einsatzleiter, das Protokoll des Gesprächs:
Guten Tag Herr Karden, was ist denn los?
⁃ Ja, wir gehen jetzt auch auf das Gelände genauso wie Sie.
Ich dachte wir stehen in Verhandlungen?!
⁃ Ja, der Einsatz war lange geplant, wir brauchen jetzt nicht mehr zu Verhandeln.
Der Einsatzleiter beendete das Gespräch daraufhin.
Die Atmosphäre war nach dem Gespräch vor allem durch das militärisch anmutende Auftreten der Polizei vor dem Haus und bereits auf dem Grundstück geprägt von Ohnmacht und Angst. Während die Polizei von draußen die Räumung ankündigte, versuchten die Besetzer_innen die unterschiedlichen Perspektiven gemeinsam zu diskutieren. Das plötzliche Auftreten ohne Verhandlungsangebot verunmöglichte bei den irritierten
Besetzer_innen ein gemeinsames Vorgehen. Einige verließen das Gebäude, andere hatten Angst, die im ersten Stock versammelten Menschen zu verlassen. Die martialische und aggressive Performance der Polizei (das Haus war mit den Beschildeten umstellt) begründete diese Angst.
An keinem Punkt der Besetzung ging von den Besetzer_innen Gewalt aus.
Als geradezu ironisch stellte sich ihr Vorgehen heraus; wurde auf unserer Seite versucht so wenig wie möglich zu verunreinigen, so zerstörte die Polizei im Zuge der Räumung massiv die Eingangsbereiche. Kim Fröhlich zur Räumung: „Obwohl die bewaffneten Einsatzkräfte über den friedlichen und freundlichen Chorempfang – gesungen wurde „always look on the bright side of life“ – sichtlich erstaunt waren, konnten sie es sich nicht nehmen lassen, uns alle mitzunehmen.“ Infolgedessen wurden alle Anwesenden gefesselt und ins Polizeipräsidium abtransportiert. Bei der Festnahme kam es zu mehreren Verletzungen auf Seite der Besetzer_innen und Solidaritätsbekundenden: Hände wurden abgeschnürt und verbogen, Menschen wurden über den Boden geschliffen & eine Person die ihre Solidarität bekundete wurde brutal geschlagen. Zudem wurden mehrere Schlagstockeinsätze gegen sich vor dem Haus soldiarisierende Personen gemeldet. Auch die Nachbarschaft und Familien verfolgten den Einsatz der Polizei irritiert bis entsetzt. Personalien wurden aufgenommen und scheinbar willkürlich einzelne Personen ED-Behandelt. Zudem die Strafanzeigen aus nicht ersichtlichen Gründen unterschiedlichen Ausmaßes.
Wie der Pressesprecher der Polizei dem HR gegenüber mitteilte, sei der Einsatz so massiv gewesen, weil man sich der Brisanz des Themas [Wohnungsnot] bewusst sei. Man wolle keine Situation wie in den achtziger Jahren. Diese Aussage ist erstaunlich. Die Legitimität des Anliegens und die Berechtigung diesem Ausdruck zu verleihen, wird zwar anerkannt, jedoch gerade deswegen so entschlossen vorgegangen: Keine Verhandlungen, keine Diskussion. Viele der Besetzer_innen können in der Stadt Frankfurt nicht von ihrem in der Verfassung geschützten Grundrecht auf Wohnen Gebrauch machen. Es ist erschreckend, wenn der gewaltlose Versuch, diesem Missstand Ausdruck zu verleihen, mit staatlicher Gewalt und Einschüchterung in dieser Form begegnet werden.
„Die hohen Kosten des Großeinsatzes, über die wohl nur spekuliert werden kann, sind deshalb unnötig, weil mit einer rechtzeitigen Kommunikation durch die Polizei dieser Einsatz hätte verhindert werden können. Anstatt, wie im Plenum zunächst vorgesehen, das Haus friedlich wieder zu verlassen, wurde durch die Polizei eine ausweglose Situation geschaffen. Hätte der Einsatzleiter Herr Karden von dem Strafantrag des Landes Hessens frühzeitig berichtet, wären die Besetzer_innen auch freiwillig aus dem Haus gegangen. Zwar wurden wir heute geräumt, doch das war erst der Anfang. Heute ist nicht aller Tage, wir kommen wieder, keine Frage“, so äußerte sich Katharina Wallhausen. Die Frankfurter_innen und Frankfurter müssen sich auch weiterhin mit der desolaten Wohn- und Mietsituation ihrer Stadt auseinandersetzen und nach Ursachen forschen. Das Problem betrifft zwar auch Studierende, aber vor allem andere in prekären Lebensverhältnissen Lebende. Studierende können in vielen Fällen auf ihr Familiennetzwerk zur Finanzierung bauen, diese Möglichkeit haben andere nicht. Nach unseren Einschätzungen liegen die Ursachen jenseits von persönlichen Akteur_innen und einzelnen Institutionen, sondern vielmehr sind die Ursachen so vielfältig wie die Perspektiven auf sie. Wir halten eine vielseitige Auseinandersetzung mit dem Problem für wünschenswert. Gewalt gegen Wohnungssuchende ist jedenfalls keine Option. Zur Wohnungsnot kommen bei vielen Betroffenen jetzt auch noch weitere Kosten aufgrund der Strafanzeigen hinzu. So sollen legitime Proteste ausgeblutet werden.
Es fehlt immernoch an (bezahlbarem) Wohnraum. Selbstverwaltete Wohn- und Kulturzentren gibt es zu wenige, stattdessen wird der Bockenheimer Campus zu einem Zentrum für Hochkultur umgewandelt. Der Raum für Alteritätserfahrungen fehlt.
Also bleiben wir zunächst „Schlaflos in Frankfurt“…
Deshalb kommt am 21.10. um 19Uhr zum Café KOZ:
Solidarität zeigen gegen Räumung und Polizeigewalt!
http://schlaflosinfrankfurt.blogsport.de/
schlaflos.frankfurt@yahoo.de
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