frankfurter gegenuni 14

frankfurter gegenuni 14
utopie
30.04. – 11.05.2012

utopie – jenseits des rettungsschirms. gegenuni 14

Es scheint, dass gerade in Krisenzeiten die Fluchtlinien häufig in Richtung Utopie verlaufen. So auch bei der Vorbereitung der 14ten Gegenuni. Die Gegenuni, die bisher in den Räumen des Instituts für vergleichende Irrelevanz stattfindet, steht mit dem bevorstehenden Verkauf des Gebäudes auch erst einmal vor der Frage, wie und wo es „Morgen“ weitergeht (Infos zur aktuellen Situation unter ivi.copyriot.com).

In der Veranstaltungsreihe wird jedoch weniger eine „Nabelschau“ unternommen, noch neue Utopien entwickelt, sondern dazu eingeladen, Ansätze, Theorien, Praxen etc. vorzustellen, die auf Utopien verweisen. Die Gegenuni ist in ihrer Struktur mit einem Setzkasten zu vergleichen, dessen Wände sich jedoch an verschiedenen Stellen öffnen.
Zu Beginn unserer Arbeit mit dem Thema hatten wir immer wieder das Problem, den Begriff einzugrenzen. Bei der Annäherung an den Begriff ‚Utopie‘ wurde immer wieder die Verbindung zwischen Wunsch – Traum – Utopie diskutiert. So versuchten wir, eine Grenze zu individuellen Wünschen und Träumen zu ziehen – der Tod der Erbtante, des Chefs oder der Rivalin sind keine Utopien. Dennoch scheinen solche individuellen Wünsche und Träume ein Reservoir zu bilden, aus dem sich die kollektiven Entwürfe speisen können. In ihnen enthalten ist die unbedingte Forderung nach dem individuellen Glück, welche es zu bewahren gilt. Letztlich waren wir uns aber einig, dass Utopie für uns einen emanzipatorischen kollektiven Entwurf meint.
Doch was meint dies nun konkret? Um sich der Utopie anzunähern haben wir uns daher mit dem negativen Spiegelbild der Utopie, der Dystopie befasst. Wird das individuelle Glück nicht bewahrt, sondern völlig von der Kollektivität aufgehoben, kann die Utopie, wie „positiv“ sie auch gemeint sein mag, schnell in eine autoritäre Ordnung umschlagen. Insofern schien es uns nachvollziehbar Utopie – frei nach Adorno – als bestimmte Negation zu denken.
Im Gegensatz zur Utopie tritt die Dystopie, dagegen als Mahner_in auf, doch auch diese Mahnung hat ihre Tücken. So bleibt immer zu untersuchen, wovor gemahnt wird: Dass alles anders werde? Stünde sie damit nicht im Dienste einer nostalgischen Betrachtung des Bestehenden oder des Vergangenen und betriebe damit auch nur Affirmation? In Aldous Huxleys ‚Schöne Neue Welt’ beispielsweise scheint die Gefahr einer autoritären Herrschaft von der Gesellschaft in Verbindung mit der Entwicklung der Produktivkräfte auszugehen. Deren emanzipative Potentiale und die darin liegende Möglichkeit der Befreiung des Individuums werden dabei unterschlagen.
Eine andere Frage ist die nach dem utopischen Bewusstsein. Um eine andere Welt denken zu können, müssen Ideen entstehen, mit denen die bewusstlose Reproduktion des Bestehenden angreifbar wird. Wie lässt sich utopisches Bewusstsein entwickeln? Können beispielsweise Handlungs- und Ausdrucksmöglichkeiten vor und hinter der Bühne erprobt werden und die Revolution so als Möglichkeit inszeniert werden? Kann die Kunst das leisten oder hat die Kunst doch kein revolutionäres oder utopisches Potential?
Die Öffnung zum Praktischen beinhaltet aber auch die Frage nach den derzeitigen Möglichkeiten und dem Entwicklungsstand der Produktivkräfte. Eng mit Utopien verbunden, oder als Grundlage dieser, stellt sich auch die Frage nach den Bedürfnissen ‚des’ Menschen bzw. dem Begriff von Gesellschaft.

Wie immer haben wir dazu eingeladen, Veranstaltungen zum Thema Utopie anzubieten. Wir freuen uns über die große Resonanz und bedanken uns dafür bei allen Mitwirkenden.In das Programm sind auch andere Veranstaltungen aufgenommen worden, die entweder zu regelmäßigen Veranstaltungen des Instituts gehören, oder im Zeitraum der Gegenuni stattfinden.

eröffnung: montag, 30.04., 20.30h

Dienstag, 01.05. 20h Bedrohte Unschlüssigkeit – zum strukturalistischen Begriff des Phantastischen in der Literatur. Vortrag und Diskussion mit Bettina Herold
Trotz der großen Beliebtheit im weitesten Sinne als phantastisch bezeichneter Literatur gibt es keine einheitliche literatur­wissenschaftliche Definition des Begriffes des Phantastischen.
Der Strukturalist Uwe Durst schlägt in Anlehnung an Tzvetan Todorov vor, das Phantastische als „Widereinander zweier diskrepanter Realitäten“ zu verstehen, „von denen eine natürlichen, die andere hingegen übernatürlichen Charakters sei. Sobald sich der Text für eine Seite entscheide ‘[…] verläßt man das Fantastische und tritt in ein benachbartes Genre ein […].’ Der Zweifel über die Weltgesetze sei für das Phan­tastische konstitutiv, das Phantastische sei die Unschlüssigkeit (hésitation).“
Da die Vortragende sich u.a. im Rahmen von Prüfungsvorbereitungen mit Dursts Dissertationsschrift „Theorie der phan­tastischen Literatur“ (LIT, Berlin 2010) beschäftigen musste, wird sich der Vortrag stark an Dursts Ausführungen orientieren und versuchen, das Gemeinte mit einem oder mehreren konkreten Beispielen zu illustrieren.

Mittwoch, 02.05., 16h
Die Anfänge der politischen Utopien. Vortrag und Diskussion von Nullheimer

Die erste „Utopie“ der politischen Philosophie ist gar keine: Platons „Staat“. Erst mit Thomas More’s „Utopia“ 1516 beginnt eigentlich die Geschichte der Utopie. Die Veranstaltung gibt einen Überblick über die Bestandteile der klassischen Utopie und die frühen Werke bis 1640.

Mittwoch, 02.05., 17h
Utopische Erinnerungsarbeit. Workshop mit Gundula Ludwig und Beatrice Müller
“Erinnerungsarbeit” wurde unter anderem von Frigga Haug als feministische Methode entwickelt, um Vergesellschaftungsprozesse in ihrer Gleichzeitigkeit von Unterwerfung und Ermächtigung in einem Forschungskollektiv zu untersuchen. Die subjekt- und gesellschafts­theoretische Grundannahme dabei ist, dass Subjekte nicht nur durch gesellschaftliche Verhältnisse geprägt werden, sondern sich auch selbsttätig in diese einbauen. Dabei können Herrschafts­verhältnisse, hegemoniale Normen, Zuschreibungen und Klischees reproduziert und zugleich auch widerständig angeeignet werden.
Erinnerungsarbeit ist Textarbeit. In einem Forschungskollektiv werden aufgeschriebene Szenen zu einer gemeinsam festgelegten Alltagsfrage zum Thema Utopie so bearbeitet, dass erkannt wird, wie die Subjekte sich selbst in die Gesellschaft entwerfen. Herausgearbeitet wird, auf welche Weise Subjekte an gesellschaftlichen Verhältnissen mitbauen, ohne diese selbst nur als Opfer von Umständen zu betrachten, sondern als handelnde Personen, die (utopische) Veränderungen vornehmen könn(t)en. In der Methode der Erinnerungs­arbeit wird die Hierarchie – anders als in vielen anderen wissenschaftlichen Verfahren – zwischen forschendem Subjekt und beforschten Objekten so weit wie möglich verringert, indem alle am Forschungsprozess teilnehmen und damit als Forschende auch gleichzeitig Beforschte sind.
Wir treffen uns am Dienstag den 2.5.12 um 17 Uhr, um uns mit methodologischen und erkenntnistheoretischen Vorannahmen das „Werkzeug“ der Erinnerungsarbeit an­zueignen, damit wir alle bis Donnerstag zu einer gemeinsam ausgesuchten Frage eine (erinnerte & anonymisierte) Szene auf­schreiben können. Donnerstag den 3.5 treffen wir uns um 10 Uhr, um die Szenen zu bearbeiten. Weitere Treffen könnten dann nach Lust und Bedarf geplant werden.

Mittwoch, 02.05., 18h
Paris und Nantes – Die verwirklichteUtopie, erlebt im Mai 68. Einführung und Diskussion mit Lothar Eichhorn
1.  Die Entstehung der Barrikadenkämpfe
2. Entstehung der Basiskomitees und daraus folgend – “Regierungsbildung” in einzelnen Stadtvierteln von  Paris und die Bildung der “Stadtregierung” von Nantes.
3. Zusammensetzung der “Regierung” und ihre Aufgaben.

Mittwoch, 02.05., ab 22h
das utopische keyosk
I_d like to be, under the sea ….
We would sing and dance around
Because we know…..
We Are Your Friends in a Minimal Nation
Ein Paar Takte zur Utopie mit Pierre Van Kerckvoorde. Wege vom Internal Empire zur Zombie Nation. Öffentliches Denken in Klängen mit Worteinwürfen.

Donnerstag, 03.05., 10h
Fortsetzung des Workshops Erinnerungs­arbeit und Utopie vom Vortag

Donnerstag, 03.05., 16h
Politische“ Utopien bis 1900. Vortrag und Diskussion mit Nullheimer
Nach dem die ersten Utopien geschrieben wurden herrschte keineswegs „Funkstille“. Allerdings sind die meisten Werke eher der Science-Fiction im Stile des Wild-West-Romans zuzuordnen. In der Veranstaltung werden wir uns die Rosinen rauspicken, als da wären: Voltaires „Kandide“, Thomas Paines „The age of Reason“ und William Morris „News from Nowhere“, nur um einige zu nennen.

Donnerstag, 03.05., 18h
Utopische Momente im Neuen Bauen. Vortrag und Diskussion mit ak neues_ffm
Nach dem Ersten Weltkrieg und der gescheiterten Revolution in Westeuropa verlagerten sich die Hoffnungen vieler Menschen in den 1920er Jahren von der politischen auf die technische Ebene. Der Sprung in der Entwicklung der Produktivkräfte, der mit Elektrifizierung, neuen Kommunikationsmedien, neuen Mobilitätsformen und der Massenproduktion von Konsumgütern offensichtlich wurde, machte eine Partizipation der Arbeiter-innenklasse am gesellschaftlichen Reichtum erstmals vorstellbar.
Mit dem „Neuen Bauen“, wie es europäische Intellektuelle aus Architektur, Design und Stadtplanung formulierten, wurde der Weg zur Verwirklichung einer Utopie in neuen Bau- und Wohnformen gesehen: Die technologische Angleichung der Reproduktions- an die Produktionssphäre sollte durch veränderte Alltagspraxen einen „Neuen Menschen“ hervorbringen.

Freitag, 04.05., 16h
Der Kibbuz als „vorbildliches Nicht-Scheitern“ einer Utopie? Workshop mit Katha Rhein und Adrian Oeser
Kibbuz ist die Bezeichnung für Kollektivsiedlungen in Israel, die sich u.a. an sozialistischen und basisdemokratischen Idealen orientier(t)en. Heute sind viele Kibbuzim privatisiert, andere versuchen weiterhin an einer gemeinschaftlichen Organisation des Lebens festzuhalten.
Martin Buber sprach bereits 1950 vom „vorbildlichen Nicht-Scheitern“ der Kibbuzim.
In unserem Workshop wollen wir uns dem Thema Utopie mit einem Blick auf historische und aktuelle Entwicklungen von Kibbuzim zuwenden, sei es mit Martin Buber oder mit Donald Duck.

Freitag, 04.05., 20h
Volksgemeinschaft, Täterschaft und Antisemitismus. Buchvorstellung und Diskussion mit Markus Brunner, Jan Lohl, Rolf Pohl und Sebastian Winter
Was machte die Idee der Volksgemeinschaft und den Antisemitismus für die Menschen im Nationalsozialismus so attraktiv? Wie wurden sie zu Tätern und Täterinnen? Wie wirken sich NS-Gefühlserbschaften noch in den nachfolgenden Generationen aus? Der Nationalsozialismus und seine gesellschaftlichen Nachwirkungen sind ohne eine sozialpsychologische Perspektive nicht zu verstehen. Dies erfordert die Berück­sichtigung der subjektiven Dimension der Nachkriegsgesellschaft sowie der Brüche und Kontinuitäten nach 1945. Der Band versammelt Aufsätze, die sich aus einer psychoanalytisch-sozialpsychologischen und geschlechtertheoretischen Perspektive sowohl mit den psychodynamischen Mechanismen der nationalsozialistischen Weltanschauung und Gewalt als auch mit den Versuchen ihrer psychischen Ver­arbeitung in der Nachkriegszeit auseinandersetzen.

Montag, 07.05., 16h
Utopie goes Praxis“. Vortrag und Diskussion mit Nullheimer
Der erste praktische Versuch eines anderen Lebens beginnt 1648 mit Gerrard Winstanleys „Digger Manifesto“ in England. Größtenteils fanden solche Versuche jedoch dort statt, wo man meinte, Platz dafür zu haben: In der „neuen“ Welt. Vor allem im 19. Jahrhundert sprossen utopische kommunistische Gemeinschaften, oft mit christlichem Hintergrund, in den USA aus dem Boden. Ein Überblick über die gescheiterten Träume und die, die zumindest dem Namen nach noch existieren.

Montag, 07.05., 20.30h
Lost in Calculation – Die Zeitgeist Utopie. Vortrag und Diskussion mit plan_b
Der Filmemacher Peter Joseph ist mit seiner Zeitgeist Trilogie, die er online veröffentlichte, weltweit auf erstaunlich große Resonanz gestoßen. Millionen von Leuten sehen sich die Zeitgeist Filme bei youtube oder sonst wo im Netz an. Während im ersten Film klassische Verschwörungstheorien im Zentrum stehen, geht es in den weiteren Filmen stets auch um Kapitalismuskritik. In seinem dritten Film „Zeitgeist – Moving forward“ wird versucht, eine reale Utopie zu entwickeln, eine technokratische Zukunfts­vision, die beansprucht, Widersprüche der kapitalistischen Gesellschaftsordnung zu überwinden.
Wir möchten in der Veranstaltung versuchen, die Zeitgeist Utopie anhand von Film­beispielen zu skizzieren und einer Kritik zu unterziehen.

Dienstag, 08.05., 16h
Utopien des 20. Jahrhunderts. Vortrag und Diskussion mit Nullheimer
Der Beginn des 20. Jahrhunderts ist noch überwiegend von Utopien im Stile des 19. Jahrhunderts geprägt. Die erste erscheinende ist zugleich ein absolutes Unikat: die zionistische Utopie „Altneuland“ von Theodor Herzl. Mit H.G. Wells „A modern Utopia“ beginnt die Zeit, in der der utopische Roman nicht mehr von den sozialistischen Träumen im Wild-West-Stil handelt, sondern wieder Roman genannt werden kann. Hermann Hesses „Glasperlenspiel“, Franz Werfels „Stern der Ungeborenen“ und Ursula Le Guins „Die Enteigneten“ sind weitere Beispiele; allerdings werden Utopien, die von Wissenschaftlern geschrieben wurden, z.B. B.F. Skinners „Walden Two“, ebenfalls kritisch präsentiert.

Dienstag 08.05., 18h
Phantasmata post-humaner Körper­lichkeit. Vortrag und Diskussion mit Patrice
Kunstfrau als Text. Phantasmata post­humaner Körperlichkeit aus qeer­feministischer Perspektive.
Die Kunstfrau als posthumane Animation ist Topos utopischer Literatur- und Film­geschichte: Von den unheimlichen Figuren der Kunigunde (Käthchen von Heilbronn) und Olimpia (Der Sandmann) bis zur künstlichen Maria (Metropolis), der ein revolutionäres Versprechen zugeschrieben wird. Als Mensch-Maschine vermittelt die Kunstfrau als dialektisches Bild Natur und Geschichte und ist dabei Allegorie des Fortschritts.
Dabei erscheint die Kunstfrau sowohl als Perfektion wie Annihilation menschlicher Möglichkeiten und Werte: Die reale Frau als “Naturwesen” bedroht den Fortschritt (der Geschichte) dessen Basis eine anorganische Produktivität – die Warenproduktion – ist. Die sterile Kunstfrau steht dabei gegen die Natur. Reale Frau und Kunstfrau repräsentieren dabei stets zwei Gesichter der Ware, daher ist die Kunstfrau-Motivik auch immer als Metapher und/oder Kritik der kapitalistischen Warenproduktion als “moderne Variante” des Frauentauschs hin lesbar.
Der Vortrag soll zum einen zeigen, wie sich in der Kunstfrau patriarchale Bildphantasien verdichten, zum anderen wie gerade in dieser fetischisierten Form revolutionäre Potentiale etwa zur Überwindung von Zwei­geschlechtlichkeit zugleich enthalten sind.

Dienstag 08.05., 20h
Martin Heideggers Philosophie: Existentialistische Kulturkritik oder nationalsozialistische Ideologie? Vortrag und Diskussion mit Emanuel Kapfinger und Paul Stephan
Anonyme Mächte beherrschen die Menschen, ihre Kommunikation ist sinnleer, ihr gemeinsames Leben ist zersplittert und beziehungslos. Nur mehr Getriebene sind sie, die doch zugleich das feste Bewusstsein haben, sie seien ganz sie selbst. Heideggers kulturkritische Wahrnehmungen sind hochaktuell. Allerdings nahm er in seiner Philosophie eine Interpretation des National­sozialismus vor, die ihresgleichen sucht: Nach einer jahrtausendelangen Verfalls­geschichte, in der zuletzt alle Wesenhaftigkeit aus der Welt verloren war, kam ihm zufolge 1933 eine metaphysische Zeitenwende. Die Deutschen wurden dieser These nach 1933 unmittelbar ontologisch, d.h. sie waren in ihrer unmittelbaren Wirklichkeit eins mit ihrem Wesen. Der Vortrag will das Verhältnis zwischen Heideggers Philosophie und dem Nationalsozialismus in drei Teilen erörtern:
1. Kulturkritik und Existentialismus: Heidegger und die Gegenwart
2. Philosophische Heidegger-Kritik
3. Heideggers philosophische Politik 1933

Mittwoch, 09.05., 16h
Karl Mannheims „utopisches Bewusstsein“. Vortrag und Diskussion mit Nullheimer
In seinem Hauptwerk der Wissenssoziologie „Ideologie und Utopie“ beschreibt Mannheim vier „utopische Mentalitäten“, eine Typologie des utopischen Bewusstseins. Ein Bewusstsein, welches nicht „rein“ vorkommt und auch nicht vom Kontext der jeweiligen Zeit getrennt untersucht werden kann.

Mittwoch, 09.05., 18h
Ethico-Politics – Oder: Der sanfte Zwang zur Impfung. Workshop mit Kevin Hall
Die Dystopie wird in ihrer typischen Ausführung mit repressiven Formen der Macht und Herrschaft verbunden, wie sie wahlweise im historischen Faschismus oder im historischen Stalinismus zu beobachten waren. Seltener sind jene Dystopien, die subtilere Formen der Machtausübung thematisieren. In diesem Workshop soll anhand eines Ausschnittes von Nikolas Roses Aufsatz „Tod des Sozialen? Eine Neubestimmung der Grenzen des Regierens“ dessen Konzept der Ethico-Politik gemeinsam herausgearbeitet werden. Anhand eines Zeitungsartikels aus der Zeit der H1N1 Pandemie 2009 wird dieses Konzept in einem praktischen Zusammenhang diskutiert.

Mittwoch 09.05., 20h
George Orwells „1984“: Überwachung und Demokratie. Hörspiel, ab ca. 22h Barabend
George Orwell verfasste 1948 den Roman „1984“ in dem er das Bild eines dystopischen totalen Überwachungs- und Präventions­staates entwirft. Ist es bei Orwell noch eindeutig eine fiktive Dystopie, scheint sie sich Stück für Stück in den gegenwärtigen Alltag einzuschleichen. Die Überwachung durch Kameras, Handydaten und freiwillige Bürgerpolizist_innen nimmt zu und wird mit dem Slogan „Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten“ legitimiert. Präventiv wurde die Vorratsdatenspeicherung ins Leben gerufen und muss auch heute per EU Dekret umgesetzt werden. Neben der individualistischen Legitimation Wer nichts zu verbergen hat… wird zunehmend die Forderung nach Transparenz als Merkmal eines Demokratischen Rechtsstaats ab­gefeiert. Kann man diese Gedanken zusammenführen?
Wir werden einigen Szenen aus dem Hörspiel „1984“ vorspielen, um anschließend über die derzeitige politische Rhetorik der „Transparenz“ zu diskutieren.

Donnerstag, 10.05., 20h
Hier Himmel“. Filmvorführung und Diskussion
Der Film des Regisseurs Ludwig Metzger aus dem Jahr 2003 ist eine Dokumentation zu Leben und Werk der Schriftstellerin und Schauspielerin Aglaja Veteranyi. Die Collage von Texten, Performance-Szenen und Filmaufnahmen aus der „Zirkuswelt“, in der Veteranyi aufwuchs, vermitteln einen surrealen Charakter. Gleichzeitig ist der Film jedoch auch eine Art Trauerarbeit, da sich die Künstlerin 2002 das Leben nahm.

Freitag, 11.05., 16h
Emanzipation als Utopie? Zur Unerreichbarkeit von Emanzipation und der Rolle der Utopie bei Ernesto Laclau und Chantal Mouffe. Workshop mit Stefan Wedermann
In dem Workshop möchte ich gemeinsam mit den Teilnehmer_innen das Spannungs­verhältnis zwischen „Emanzipation“ und „Utopie“ in der Theorie von Laclau und Mouffe erarbeiten. Das Spannungsverhältnis konstituiert sich dahingehend, als das Laclau und Mouffe die Utopie als Notwendigkeit für die Negation einer Ordnung und als Entwurf eines radikalen Neuen für den Prozess der Emanzipation sehen, aber die Emanzipation gleichzeitig als niemals völlig erreichbar verstehen. Verkommt die Emanzipation damit selbst zur Utopie? Auf der Grundlage eines Textes, würde ich gern mit euch darüber diskutieren.
Es wäre gut, wenn alle die teilnehmen möchten, sich kurz bei mir melden, damit ich euch den Text zuschicken kann: stefan_wedermann@lavabit.com

Freitag, 11.05., 18h
Utopie und Revolution – eine dialektische Beziehung in der Geschichte. Vortrag und Diskussion mit Sadik Usta
In diesem Referat wird der Versuch unternommen, den Ursprung und die Entwicklung des Utopiebegriffs zu erläutern. Ist Utopie eine neuzeitliche Erscheinung, oder gibt es sie seit Menschengedenken? Außerdem wird in dem Referat auf die Diskussionen innerhalb der akademischen Kreise bzgl. der Rolle und Funktion der Utopie in der Geschichte eingegangen. Was ist der Zweck einer Utopie? Was für eine Rolle spielt sie in der Geschichte? Gibt es ein utopisches Denken? Ist es ein Wesenszug des Menschen, utopisch zu denken und zu handeln? Schließlich wird in dem Referat die unzertrennliche Beziehung von Utopie und Revolution anhand von Beispielen untersucht.

utopie. vierzehnte frankfurter gegenuni

mo 30.04.
18h [plenum]
20h [kantine]
20.30h eröffnung

di 01.05.
20h vortrag: bedrohte unschlüssigkeit – zum strukturalistischen begriff des phantastischen in der literatur. mit bettina herold

mi 02.05.
16h vortrag: die anfänge der politischen utopien. mit nullheimer
17h workshop: erinnerungsarbeit und utopie. mit gundula ludwig und beatrice müller
18h einführung: paris und nantes – die verwirklichte Utopie, erlebt im Mai 68. mit lothar eichhorn
22h das utopische [keyosk] mit pierre van kerckvoorde

do 03.05.
10-15h workshop: erinnerungsarbeit und utopie II
16h vortrag: „politische“ utopien bis 1900. mit nullheimer
18h vortrag: utopische momente im neuen bauen. mit ak neues_ffm

fr 04.05.
16h vortrag: der kibbuz als „vorbildliches nicht-scheitern“ einer utopie? mit katha rhein und adrian oeser
20h buchvorstellung: volksgemeinschaft, täterschaft und antisemitismus. mit markus brunner, jan lohl, rolf pohl und sebastian winter

mo 07.05.
16h vortrag: „utopie goes praxis“. mit Nullheimer
18h [plenum]
20h [kantine]
20.30h vortrag: lost in calculation – die zeitgeist utopie. mit plan_b

di 08.05.
16h vortrag: utopien des 20. jahrhunderts. mit nullheimer
18h vortrag:phantasmata posthumaner körperlichkeit. mit patrice
20h vortrag: martin heideggers philosophie: existentialistische kulturkritik oder nationalsozialistische ideologie? mit emanuel kapfinger und paul stephan

mi 09.05.
16h karl mannheims „utopisches bewusstsein“. mit nullheimer
18h workshop: ethico-politics – oder: der sanfte zwang zur impfung. mit kevin hall
20hhörspiel: george orwells „1984“: überwachung und demokratie
22h [keyosk]: barabend

do 10.05.
20h film: hier himmel

fr 11.05.
16h workshop: emanzipation als utopie? zur unerreichbarkeit von emanzipation und der rolle der utopie bei laclau und mouffe. mit stefan wedermann
18h vortrag: utopie und revolution – eine dialektische beziehung in der geschichte. mit sadik usta
22h konzert mit LINK (dark crust) +support

institut für vergleichende irrelevanz * kettenhofweg 130 * frankfurt/m.
aktualisierungen unter ivi.copyriot.com

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