mai 2007
gegen_uni 5

huch, diese gegen_uni fand gar nicht statt. einen aufruf gabs trotzdem:

in diskus – frankfurter student_innenzeitschrift, heft 1.07, 55-56

gegen_uni fünf
»Ihr seid nur ein Haufen verblödeter Idealisten!« [Magneto, Captain America]
»Der Kommunismus ist einfach. Jeder kann ihn verstehen.« [Donald Duck]
Das Ende der Geschichte, das Ende der Universität, das Ende der Kritik – zu allem ist man immer schon zu spät gekommen. »So als sei es möglich, den letzten Zug noch nach dem letzten Zug zu nehmen – und immer noch zu spät zu einem Ende der Geschichte zu kom- men« [J. Derrida]. Auch wenn man mal denkt, einen Schritt schneller zu sein, z. B. beim Protestieren auf der Autobahn, dann ist das Ende doch eigentlich vor einem da – das überraschende Ankommen immer schon in der weniger überraschenden blutigen Nase aufgehoben. Was bleibt ist dann doch nur die Aufar- beitung im riotpop der anschließenden Partynacht. Doch auch auf diese muss die Kater_in folgen, mit der steten Übermüdung und dem nimmermüden Zeit- druck. Festzustellen, dass die Lage – nicht nur an der Uni – immer schlimmer wird, erübrigt sich mittler- weile. Dank Studiengebühren, Stiftungsuni, Lohnar- beit und Modularisierung hat ohnehin niemand mehr die Zeit, um stehen zu bleiben und sich diese Kritik an- zuhören bzw. -schauen. Formen des Sich-Zeit-Neh- mens, Zeithabens und -verschwendens finden nur noch dann statt, wenn sie kollektiv domestiziert wer- den und sich doch nur ums gemeinschaftliche Fuß- ballfest drehen; oder im konditionierten wöchenendli- chen Vergnügungspark stattfinden dürfen. Ansonsten ist man statt für-einander für die Arbeit (a.k.a. Uni) da, statt auf Tanzflächen in Bibliotheken zuhause und statt Champagner erscheint der Mittagsschlaf als Luxus.
Verhältnisse, in denen Kritik stattfindet und stattfin- den muss, müssen nicht so aussehen, Kritik muss aber anderes wollen – oder erstmal nur die radikale Nega- tion des Bestehenden. Ein Uneinverstandensein gegen das Jetzt, für ein Begehren des Besseren, dass sich weder auf später vertrösten lassen kann, noch will. Die gegen_uni des letzten Sommersemesters fiel mit der Artikulation dieses Begehrens zusammen. Es hat sich dadurch zwar nichts verbessert – außer bleibender Brandflecken auf dem Campus – aber die Notwendig- keit einer radikalen Kritik als notwendiger Zusammen- hang von Theorie, Praxis und Party, ist deutlicher her- vorgetreten, als in den Jahren und Protesten zuvor. Ein Jahr später, und zwei gegen_unis weiter, ist die Auf- gabe dieser Kritik immer noch die der Destruktion und Negation – sie kann aus dem Bestehenden heraus, gegen das sie sich wendet, keinen anderen Anspruch formulieren als sich nicht verstummen zu lassen. So muss sich die gegen_uni diesmal, in ihrer ohnehin schon permanent prekären Permanenz, der Bedro-hung stellen, nicht mehr stattfinden zu können. Seit Beginn der Semesterferien versucht die Unileitung mit erhöhter und entschiedener Vehemenz (und professio- neller Hilfe einer Projektmanagementfirma) den Ver- kauf des Gebäudes und damit die Schließung des In- stituts für vergleichende Irrelevanz (kurz: ivi) voran zu treiben.
Damit ist der einzige Ort in Frankfurt, wo eine radi- kale Kritik noch möglich ist, bedrohter denn je. Als die Möglichkeit eines anderen Arbeitens, Lernens und Le- bens steht damit ein Ort auf der Kippe, der es bislang ermöglichte, eine Möglichkeit zu eröffnen, mit der all- täglichen Gewalttätigkeit der Kategorien, mit und in denen wir zu leben gezwungen sind, sowie dem Lei- den unter ihnen, anders umzugehen als beständig zu verzweifeln. Denn die gegen_uni – und mit, durch und über sie das ivi – als das Verworfene, als die dünnsten und prekärsten Ränder des Universitätsbetriebs, wie wir ihn nicht haben wollen, kann in seiner endlosen Wiederkehr nicht nur der Flicken sein, der sein letztes Hemd für den Schein einer kritischen Wissenschaft gibt. So kann, will und darf die gegen_uni als mehr verstanden werden als das übliche Lesekreismeer, an dem ohnehin niemand mehr Zeit hat, Urlaub zu ma- chen. Dieses Programm muss allerdings in einem Rah- men stattfinden, um aus ihm zu fallen. Wird an diesem Rahmen gerüttelt, gilt es das eigene Schiefhängen auf- zugreifen. Sich zu wehren gegen Wasserwaagen und andere Instrumente des begradigenden Umbaus. In flirrenden Verhältnissen nach funkelnden anderen In- strumenten zu suchen, mit denen etwas anderes zu veranstalten wäre als die immer-gleiche Melodie. Er- scheint diese Position als eine verunmöglichte, gilt es die Unmöglichkeit dieser Möglichkeit zum Ausgangs- punkt des Arbeitens und Denkens zu machen. Das Be- harren auf der eigenen Notwendigkeit als einer un- möglichen ernst zu nehmen, und aus einer Position, die ohnehin kaum mehr als scheitern kann, aufs – immer schon falsche – Ganze zu gehen. Die eigene Zukünftigkeit nicht mehr auf morgen zu verschieben, sondern ihr Ankommen einzufordern. Den Messianis- mus der Revolutionsgeste zu durchbrechen und lieber ihre unmöglichen Möglichkeiten im Jetzt zu verteidi- gen. »Die Aufgabe ist nicht, alle und jede neue Mög- lichkeit qua Möglichkeit zu feiern, sondern jene Mög- lichkeiten zu reformulieren, die bereits existieren, wenn auch in Bereichen, die als (…) unmöglich gelten« [J. But- ler über die gegen_uni].
die fünfte frankfurter gegen_uni startet am 21. mai im institut für ver- gleichende irrelevanz [kettenhofweg 130]. www.copyriot.com/raumspiel/