26.10. – 8.11.2009: 10. Frankfurter Gegen_Uni

Practicing Critique

Gesellschaftliche Praxis, ihr Reflexion und Veränderung

Zur Begründung und Entwicklung eines unabhängigen Forschungsprogramms – 10. Frankfurter Gegenuni

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Der Ausgangspunkt

Gegenwärtig ist in vielerlei Hinsicht die Frage, was denn unter Kritik der Gesellschaft zu verstehen sei wieder auf der Tagesordnung. Die sich rapide wandelnde Welt und die dauerhaften Krisen evozieren verschiedenste Auseinandersetzungen über das Verhältnis von Theorie und Kritik zur gesellschaftlichen Realität als auch darüber, was diese in jener zu leisten habe. Insbesondere, so scheint es zumindest, die Theorien, welche als Weiterführung kritischer Theorie (miss)verstanden werden, setzen sich damit auseinander. Aber auch in linksakademischen Kreisen wie auch der autonomen oder radikalen Linken gibt es erneute Versuche, sich diesen Komplexen zu nähern.

Trotz all dieser Versuche bleiben viele Fragen offen, die insbesondere die Möglichkeiten emanzipatorischer Praxis – als praktischer Kritik wie auch kritischer Praxis – betreffen. Die Bedingungen solcher Praxis bedürfen einer vielfältigen Forschung. Insofern ist das Ziel der 10. Gegenuni ein unabhängiges Forschungsprogramm zu entwerfen. D.h. aus theoretischen Reflexionen und Auseinandersetzungen heraus Fragestellungen zu entwickeln, die in unterschiedlichen Feldern untersucht werden sollen. Ausgangspunkt sind hierbei u.a. folgende Fragestellungen:

  • Was heißt »gesellschaftliche Praxis«?
  • Was sind die derzeitigen Bedingungen, Kritik zu entwickeln? – insbesondere unter Berücksichtigung der Entwicklung der Universitäten und Sozialtheorien.
  • Was wird überhaupt unter Kritik verstanden?

Dies beinhaltet vor allem eine theoretische Auseinandersetzung

mit gegenwärtig diskutierten Ansätzen. Hier können

dann folgende Leitfragen im Zentrum stehen, die auch

schon den Übergang zur Entwicklung eines (vielfältigen)

Forschungsdesigns markieren:

  • Was ist gesellschaftsverändernde Praxis?
  • In welchem Verhältnis stehen Bewusstsein und gesellschaftliches Sein und was heißt dies unter den gegenwärtigen Bedingungen?
  • Auf welchen Ebenen kann Praxis als Kritik geleistet werden?
  • »Normativität und Kritik« oder »Normativität oder Kritik«?
  • Welchen Stellenwert hat die Analyse konkreter Situationen in der Entwicklung von Kritik?
  • Der Unterschied traditioneller zu kritischer Theorie und inwiefern ist die derzeitig als kritisch firmierende Theorie unkritisch?
  • Muss, mit anderen Worten, der programmatische Text von Horkheimer neu geschrieben werden?
  • Ästhetik und Kritik? Musik, Kunst, Party? Kann Kunst (in allen Formen) überhaupt noch eine Form der Kritik sein?
  • Was heißt Politik unter diesen Bedingungen? Und zwar in zweierlei Hinsicht: wie ist herrschende Politik strukturiert und welche Formen antihegemonialer, gegenhegemonialer Politik und Antipolitik gibt es?
  • Antipolitik oder Kritik der Politik? Und was heißt das eine und was das andere?
  • Zwischen Ohnmacht und Allmacht oder Das nach Emanzipation strebende Individuum in der Praxisfalle?

Insbesondere der Alltag des Individuums rückt hier in den Mittelpunkt des Interesses und seine Konstituiertheit und Vermitteltheit mit den sozialen Formen der Vergesellschaftung. Es wäre daher eine mögliche Zielrichtung, das Nichtidentische im Alltag aufzuspüren und alltägliche Praxen zu untersuchen. Auf den Bereich der Kunst/Kultur könnte dies beispielsweise heißen, das Setting von Konzerten oder Partys in sich selbst als emanzipatorisch verstehenden Räumen zu untersuchen und damit nach den Nicht-/Möglichkeiten einer solchen Praxis.

Ein weiteres Feld wäre die Frage nach dem Verhältnis von Identität und Kritik. Auch hier wären Begriffsklärungen notwendig aber auch die gesellschaftliche Form der Alltäglichkeit der Reproduktion von Identität rückt in den Blick.

Zu guter Letzt muss bei der Entwicklung und Durchführung eines solchen Forschungsprogramms Selbstreflexion konstitutiver Teil sein. Einerseits ist ein solches Forschungsprogramm selbst schon implizit Selbstreflexion, denn es untersucht die Bedingungen der eigenen Tätigkeit. Andererseits müsste allerdings dies auch in der Forschung selbst reflektiert werden, d.h. zum Beispiel die eigene Parteilichkeit (der Standpunkt der Emanzipation) in ihrem Verhältnis zu einem

universalistischen Geltungsanspruch zu denken.

Bedingungen

Die Idee ein unabhängiges Forschungsprogramm auch in der Praxis umzusetzen muss sich auch über die derzeitigen materiellen Ausgangsbedingungen klar sein. Denn es kann genauso wenig in zwei Wochen umgesetzt wie von zwei Leuten getragen werden. Die Gegenuni kann daher – als Versuch – als Ort initiiert werden, an dem über den Sinn und Unsinn eines solchen Forschungsprojekts gestritten werden kann und an dem sich Interessierte zusammenfinden, die sich an einem solchen Projekt beteiligen würden. Hierbei kann auf die Räume und die technische Ausstattung des ivi zurückgegriffen werden. Die materiellen Ressourcen sind allerdings sehr begrenzt und können in keinster Weise gegen den mainstream-Forschungsapparat anstinken. Insofern gälte es, die vorhandenen Kompetenzen klug zu kombinieren.

Zugleich werden bei der Gegenuni inhaltliche Veranstaltungen die Diskussionen um dieses Projekt begleiten, um bisherige Diskussionsprozesse nachvollziehbar zu machen, als auch schon um die Prozesse des Programmentwurfs zu

unterfüttern.

Das Ziel

Erstes Ziel der 10. Gegenuni muss es sein, eine übergreifende Fragestellung zu entwerfen, anhand der konkrete Untersuchungen unternommen werden können. Daher ist die Idee, dass sich während der Gegenuni Arbeitsgruppen bilden,

die mittelfristig konkrete Analysen vornehmen. Die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppen sollen schließlich veröffentlicht und einer Diskussion zugänglich gemacht werden.

Das langfristige Ziel ist es sicherlich, die unterbrochene Arbeit des „alten“ Instituts für Sozialforschung fortzuführen, die von Marx unberücksichtigten Dinge zu klären, die Kritik der Dialektik der Aufklärung fortzusetzen, postmoderne Debatten

in nie geahnte Sphären zu führen usw. Schließlich

geht es um die praktische Veränderung der Welt.

Alle Interessierten sind hiermit eingeladen, sich an den Diskussionen über ein unabhängiges Forschungsprogramm zu beteiligen und sich einzubringen.

10. Frankfurter GegenUni am Institut

für vergleichende Irrelevanz (ivi)

Uni Campus Bockenheim, Kettenhofweg 130, 60325 Frankfurt am Main

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